Ein Beispiel ist der ganze Skandal um JK Rowling. Weil sie auf den biologischen Unterschied zwischen Frauen und Transfrauen hinwies, der nun mal einfach da ist, wurde sie beschimpft und beshitstormt, wie ich es niemanden wünsche. Es war beängstigend. Und vor allem, ich persönlich verstand es einfach nicht – uns allen wird anerzogen, dass wir stolz sein sollen auf unsere Individualität, dass wir alles sein können, was wir wollen. Wir lernen, dass es zwischen männlich und weiblich in Sachen Gender viele Spielarten gibt, dass man genderfluid sein kann, non binary, was auch immer, und das ist absolut begrüßenswert – leb dich aus, entsprich keinen Konventionen, ja, bitte! Aber dass Frauen eine biologische Tatsache abgesprochen wird, auf deren Basis aber verdammt viel Benachteiligung stattfindet, und sie dafür aggressivst (!) angegangen werden (es gab nicht grad wenige Morddrohungen gegen Rowling), das ist das, was ich nicht kapiere – und was mir bisher auch niemand auf einer nichtaggressiven Ebene erklären konnte. Anstelle von Debatte, Argumenten und dem Versuch, es mir zu erklären, bekam ich ein aggressives „Informier dich!“ hingeschmissen. Ja, Oida, das versuchte ich ja gerade! Auf welchem Planeten ist so etwas konstruktiv? Wie soll das sowohl den Feminismus als auch das Thema Transgender gesellschaftlich weiterbringen?
Es ist vor allem diese Aggression, die mich so erschreckt: Warum muss ich angebrüllt werden, dass Transfrauen auch Frauen sind, warum werde ich als schlechte Feministin beschimpft, weil ich da biologische Unterschiede sehe, ohne – GANZ WICHTIG!!! - auch nur irgendjemanden davon hierarchisieren zu wollen – und bevor ich überhaupt auch nur ein Wort zum Thema Trans gesagt hab? Weil Hand aufs Herz: Ich kenne zwei Transpersonen. Ich höre ihnen zu. Und ich würde mir niemals herausnehmen, auf Basis ihrer individuellen Erzählungen ein allgemeines Bild über Transgender zu machen, ich kann nur von ihnen neue Perspektiven lernen und ich habe ihre Lebensentscheidungen zu respektieren. Genauso, wie ich mir nie im Leben herausnehmen würde, von meinem Leben als Frau auf das Leben aller Frauen zu schließen. Aber ich hab auch das Recht, mir meine eigene Perspektive zu erarbeiten, oder? Ich hab das Recht zu sagen: Es ist fein für dich, dass du offen als Transfrau leben darfst, wenn du das immer wolltest, aber sorry, die Erfahrung der ersten Menstruation, während du noch quasi ein Kind warst, die Erfahrung von monatlichen Schmerzen, die hast du einfach nicht gemacht. Das ist nix Diskriminierendes, das ist schlicht und einfach eine fucking Tatsache. Biologisch sind da Unterschiede, so what, es ist eben so! Und da will ich nicht gecancelt werden, wenn ich sag, he Moment, ganz so bedingungslos, wie du das erwartest, kann ich das jetzt nicht hinnehmen, wenn mir Aussagen aggressiv um die Ohren gehauen werden, für die ich keine weiterführende Erklärung bekomme, oder?
Ich finde interessant, dass gerade das Transthema so wahnsinnig aufgeladen ist, obwohl es nur einen wahnsinnig kleinen Teil der Bevölkerung betrifft. Eigentlich trifft es mein Leben mit Ausnahme der zwei Personen, die ich kenne, überhaupt nicht. Trotzdem werde ich an meinem Zugang zu dem Thema bewertet. Ich habe zu akzeptieren, dass ich das Transthema bedingungslos und ohne zu hinterfragen anzunehmen habe, ich habe still zu sein – und muss mein Bauchgrummeln, dass wir dadurch das Patriarchat eigentlich nur weiter einbetonieren, weil wir uns gegenseitig Meinungen vorschreiben, wortlos wegmassieren. Geh scheißen also, im wahrsten Sinn des Wortes.
Ich bin weiß, cis, straight, und qua meiner bürgerlichen Herkunft auf manchen Ebenen sicherlich privilegiert. Ich kanns nicht ändern, ich kann nur versuchen, meine Perspektiven offen zu halten und durch mein Handeln anderen zu helfen. Seit einigen Jahren wird mir aber genau das im feministischen Kontext aber indirekt zum Vorwurf gemacht. Ich soll mich dafür schämen, ich muss mich zuerst genauso scheiße fühlen wie Nichtprivilegierte, sonst versteh ichs nicht. Es geht scheinbar nicht drum, sich gegenseitig emporzuhelfen, es geht darum, andere runterzumachen. Es ist schwierig, das zu argumentieren, weil mir sonst Schlagworte wie „White fragility“, „Als Weiße ist man automatisch rassistisch“ oder ähnliches sofort um die Ohren fliegen. Ich KANN also gar nix sagen. Drum bin ich meistens diesbezüglich still. Und auch das wiederum ist verdammt toxisch, weil damit im öffentlichen Diskurs die Cancel Culture genau die Macht bekommt, die zu massiver gesellschaftlicher Spaltung führt. Not good.
Eine Freundin schickte mir letztens den Hinweis auf ein Buch, das Anfang April erscheinen sollte: „Schäm dich! Wie Ideologinnen bestimmen, was gut und böse ist“ von Judith Sevinc Basad. Am Erscheinungstag stand ich im Laden, holte es ab, und hatte es am selben Tag noch durchgelesen. Es holte mich in vielen Belangen massiv ab. Basad seziert wahnsinnig gut, wie diese Cancel Culture und dieses aggressive Vorgehen der Wokes mit einem Machkampf, einem Kampf um Hegemonie zu tun hat. „Was hier passiert, ist eine Demonstration von Macht. Der Macht, eine Ideologie durchzusetzen, die nicht nur fundamental dem gesunden Menschenverstand, sondern auch den Gesetzen der Naturwissenschaften widerspricht. Das Ziel: Es soll im Ergebnis dieser Machtausübung eine neue Realität geschaffen werden, in der genau die Regeln, Gesetze und Hierarchien gelten, die man sich selbst ausgedacht hat. Das ist fatal: Denn in einer Welt, in der alles „sozial konstruiert“ ist, wird der subjektive Schmerz zur einzigen Konstante, die objektiv „wahr“ sein kann. Nur das, was „den Anderen“ wehtut, ist real. Alles andere existiert nicht. Aber es gibt keinen objektiven Maßstab für das eigene Leid. Der Schmerz ist immer so subjektiv, variabel – und somit stets veränderbar. Und so kann man auch alle störenden Fakten nach Belieben aus der Realität entfernen.“ Starker Tobak. Provokant formuliert. Aber es wert, mal drüber nachgedacht zu werden. Die Ziele der Woke Culture sind ja sicherlich streckenweise wirklich gut – der Weg ist nur einfach so komplett falsch.
Nicht alles, was Basad schreibt, hat meine uneingeschränkte Zustimmung, besonders in Sachen Feminismus bin ich manchmal absolut nicht ihrer Meinung. Sie argumentiert das generische Maskulinum rein grammatikalisch, was mir wirklich zu wenig ist, und auch bei ihrem Zugang zum Gender Pay Gap liegt in ihrer Argumentation ein bissl zuviel „Frauen sind selbst schuld“ drin. Aber ich hätte große Lust, sowas einfach zu diskutieren. Weil es spannend ist, gut und logisch argumentierte (!) Debatten zu führen.
In den sozialen Medien postete ich, dass ich dieses Buch sehr gut fände. Eine Person, die ich schon lange kenne und die ich aufgrund ihrer immer sehr wissenschaftlichen Zugänge zu allen möglichen Themen sehr schätze, fragte mich, ob ich das Buch von Basad schon fertig gelesen hätte. Als ich dies bejahte und meinte, es hätte mich sehr abgeholt, meinte die Person wörtlich: „Mich hat das überrascht, ich dachte, die wär dir zu rechts :)“
Was hat ein kritischer Zugang zu einer Kultur, die – teilweise erschreckend faktenbefreit – einfach am lautesten brüllt, mit rechts oder links zu tun? Warum landet man automatisch im rechten Eck, wenn man Dinge hinterfragen möchte? Genau das antwortete ich dann auch. Es entspann sich ein Gespräch, das mir nicht aus dem Kopf will. Über dieses unfassbar schnelle Aburteilen vieler, dieser Shitstorm-Beißreflex, der so entsetzlich unreflektiert abgeht.
Nur um das klarzustellen: NIEMAND in dieser Gesellschaft darf benachteiligt werden. Menschen, die sich politisch klar rechts positionieren, müssen so benannt werden. Jegliche Form der Homophobie, des Fremdenhasses, der Frauenfeindlichkeit MUSS verurteilt werden. Aber muss jemand verurteilt werden, der einfach nur sagt, um zu verstehen was abgeht, um den Diskurs zu beobachten, sollte man sich mit den Aussagen politisch Andersgerichteter auseinandersetzen, den Personen auf Twitter folgen? Ist diese Person dann gleich ein Nazi? Echt jetzt? Oder auch der Shitstorm gegen eine bekannte Feministin kürzlich ist mir ein Rätsel. Sie hat völlig richtig betont, dass es auf der linken Seite des Diskurses immer öfter zu autoritären Tendenzen kommt – und zack, war sie transfeindlich und böse? Weil man etwas einfach nur ANSPRICHT? Weil man eine Meinung postuliert, die einen vorherrschenden Diskurs in Frage stellt?
Ich hab schon im Kindergarten gelernt: Wer keine Argumente mehr hat, haut zu. Und mein Eindruck ist: Genau das passiert anscheinend bei diesen Shitstorms gerade. Da geht’s nur ums Kaputthauen, ums Stillkriegen, und zwar durch Gewalt anstelle von Argumenten.
Irgendwann bekam ich dann im Gespräch mit der schlauen Person noch diese Antwort: „Und es freut mich, dass du, die du da ja völlig unverdächtig bist, rechts zu sein, das so siehst und auch öffentlich dazu stehst.“ Mich erschreckt das sehr. Unter wissenschaftlich begabten, intelligenten Personen greift ein Schweigen um sich, weil man nicht – wie im Kindergarten – gehaut werden will. Der Klügere gibt nach und so.
Wie kann das in irgendeiner Form einem Diskurs, einer Weiterentwicklung zuträglich sein? Warum schreien manche laut und wütend nach freier Meinungsäußerung, brüllen dann aber andere nieder, weil deren freie Meinungsäußerung ihre Gefühle verletzt hat? Ich vermisse sehr, dass man nicht mehr differenzieren kann. Dass man nicht mehr sagen kann: Hey, ich find vieles, was diese Person sagt, sehr super, aber bei dem und dem Punkt hab ich eine andere Perspektive – lass uns drüber reden und voneinander lernen. Ohne Aggression und im Wunsch, gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Manchmal geht das nicht, dann, wenn eine Person wie oben benannt wirklich RECHTS ist (wobei, nur so nebenbei, so schnell, wie momentan Nazi geschrien wird, verharmlost das die Taten der Nazis schon sehr massiv). Aber oft geht das. Dafür muss man halt hinnehmen, dass die eigenen Gefühle nicht immer die Hauptrolle spielen sollten. Und vor allem nicht Basis für eine gesamte Ideologie sein sollten.
Ich bin wirklich neugierig, wie sich das kulturell weiterentwickelt, hoffe stark, dass wir uns diesmal kein Beispiel am anglosächsischen Raum nehmen und bin offen für sachliche Debatten - ganz wichtig: auf wissenschaftlicher Faktenbasis.
PS: Genaugenommen würde ein Shitstorm diese meine Gedanken sogar bestätigen – also, bring it on ;)
PS2: Weils grad aufkam: Ich hab in den letzten Tagen sehr gegen Impfgegner und die ÖVP geschimpft. Impfgegner, weil da ebenfalls massiv unwissenschaftliche Argumente daherkommen, ÖVP, weil sie fucking rechts, selbstgerecht und nicht gesellschaftsfördernd ist, weil mir bei den politischen Vorgängen einfach nur das Kotzen kommt, sie agieren benachteiligend auf so vielen Ebenen. Natürlich darf man sich aufregen. Aber genau aus diesem Grund hab ich mich beispielsweise auch aus der Moderation einer Gruppe rausgenommen, in der es um sachlichen politischen Austausch geht, ich hab mich also sicherheitshalber selbst gecancelt ;) Come on Leute, bitte checkts doch den Unterschied zwischen "Sachliche Debatte darf emotional sein" und "Emotionale Debatte darf nicht sachlich sein".