Mein ganz persönlicher Jahresrückblick 2022

Zeit für einen Jahresrückblick. Zu diesem Jahr fällt mir beruflich nur eines ein: Es war ein schnelles Jahr. Und es war gut. Weil ich merke, wie viele Unternehmen inzwischen ehrliches Interesse zeigen, nachhaltig agieren zu wollen.

Ich habe mir letztens vor dem Einschlafen eine Liste gemacht – was ist eigentlich in diesem Jahr alles so passiert bei meinem kleinen, feinen Einpersonenunternehmen? Hier ein paar Highlights, aber bei weitem nicht vollständig:

Zunächst mal das Wunderschöne und Traurige zugleich: Ich habs mir wirklich wirklich wirklich lange gewünscht – ich wollte einmal Kolumnistin bei der Wienerin sein. Seit sagen wir mal Pubertätstagen war ich Fan der Wienerin und vor allem von Karen Müller, deren Kolumne auf der letzten Seite ich immer als erstes las. Jahrelang trug ich den Wunsch mit mir herum, und im Juni bekam ich dann das schönste Geburtstagsgeschenk ever: Ich durfte die Modekolumne der Wienerin gestalten. Es war jedes Mal einfach nur super, vom Überlegen der Themen bis hin zum Ansehen der fertig gedruckten Seite. Doch dann kam vor wenigen Tagen die Hiobsbotschaft: Die Wienerin wird eingestellt. Einfach so, zack, obwohl für die Februarausgabe schon viel vorbereitet war – ich hatte meine Kolumne auch schon fertig – Ende der Party. Es ist unglaublich traurig, nicht nur ich bin mit der Wienerin aufgewachsen, erwachsen geworden, habe sie mal besser, mal schlechter verstanden, aber es war einfach immer eine Freundin, die da war und die meine Stadt so kannte wie ich. Ich kann euch aber schon verraten: Ich werde weiterschreiben. Wo, sag ich euch, sobald es so weit ist. Ich freu mich jedenfalls schon sehr drauf.

Und wenn wir schon beim Ende von Kolumnen sind: Das ganze Jahr „eskallierte“ ich einmal im Monat bei moment.at – meine Wutanfälle und Erklärungen auf Video machten wahnsinnigen Spaß, aber nach zwei Jahren Eskallertion war die Luft dann auch mal wieder draußen. Das ist ein schöneres Ende als das mit der Wienerin, und ich bedanke mich inniglich bei Moment.at für die Chance und vor allem die Deppenfreiheit, nie wurde mir auch nur bei irgendeinem Thema reingequatscht. Hier geht’s zu meiner letzten Eskallertion, die mir beim Schreiben ein bissl einen Knopf ins Hirn gemacht hat, aber gleichzeitig lieb ich genau sowas.

So, und damit es nicht nur traurige Enden in diesem Jahresrückblick gibt, ein sehr toller Beginn: Im April gestaltete ich bei den ersten österreichischen Konsumdialogen zum Thema Lebensmittel gemeinsam mit der wunderbaren Veronika Bohrn-Mena eine Ausstellung zum Thema Greenwashing. Vom klimaneutralen Hendlfilet, das foodwatch aufdeckte, bis hin zu den ganzen heuchlerischen Gütezeichen für Palmöl oder Fisch sammelten wir quasi „Best of Böse“, und sogar Umweltministerin Leonore Gewessler zeigte sich beim Durchgehen beeindruckt. Während der Veranstaltung sagte ich dann zum Erfinder Sebastian Bohrn Mena, dass die Konsumdialoge ein super Konzept hätten – haben sie wirklich, es geht nämlich darum, möglichst niederschwellig Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Politik zusammenzubringen, das ganze bei freiem Eintritt für die BesucherInnen, und gemeinsam Probleme zu erörtern, aber auch an Lösungen zu feilen. Ich wird nie vergessen, wie er mit einem „Ja, gell? Findet nächstes Jahr auch nochmal statt, zum Thema Textilien“ reagierte. Ich musste lachen: „Sebastian, wenn du eine Ahnung von Textilien hättest, wärst du mir in den letzten zehn Jahren untergekommen.“ Was soll ich sagen, es war ein bissl sehr frech von mir, aber: Ratet mal, wer die inhaltliche Leiterin der nächsten Konsumdialoge in Hallein zum Thema Textilien ist. ;) Es ist ein riesiges Projekt, und es macht wahnsinnigen Spaß, weil ich sehe, dass konstruktive Vernetzung stattfindet.

Und auch in anderen Textilbereichen passierte bei mir viel: Bei einem Besuch beim Frottierhersteller Herka im Waldviertel zeigte mir Firmenchef Thomas Pfeiffer die Produktionshallen. Im Lager sah ich dann ganze Körbe voll mit fast abgespulten Konen, wo halt noch nur so ein bissl was an Faden dran war, die Konen waren farblich sortiert. Ich fragte ihn, wofür die wären, und er meinte: „Das sind die Produktionsreste. Die spulen wir neu auf, färben wir dunkel ein und verweben wir neu. Weil bei mir, da gibt’s kann Müll.“ Sagte es, drehte sich um, ging weiter. Ich musste grinsen: DAS war eine Geschichte! Gesagt, getan, aufs Einfärben verzichtet, damits lustig bunt bleibt, erfanden wir die Zero-Waste-Handtücher, weil viel nachhaltiger geht’s einfach nicht – teilweise sogar aus Bio-Garnen, gewebt und endgefertigt in Kautzen im Waldviertel, aus Resten anderer Auftragsproduktionen. Meine Liebe zu Herka, die schlicht und einfach mit viel Hausverstand an das Thema Nachhaltigkeit herangehen, wurde immer größer. Und was soll ich sagen: Die gesamte erste Charge ist verkauft

Ein anderes Textilthema begegnete mir schon im Vorjahr, aber dieses Jahr war es endlich soweit – WIDADO ging online. Nachdem ich mich zwar einerseits freue, dass Second Hand Mode extrem an Schwung gewonnen hat und raus aus der „kann mir nix anderes leisten“-Ecke gekommen ist, mich andererseits aber regelmäßig grün und blau ärgere, weil das auch große Konzerne gecheckt haben und jetzt mit Second Hand versuchen Umsatz zu machen – in diesem Fall natürlich garniert mit einer großen Portion Greenwashing. Da kommt WIDADO genau richtig: Ein Marktplatz, der nur von Spendenorganisationen gespeist wird, aber funktioniert wie ein ganz normaler Onlineshop. Ich finds absolut fantastisch – und freu mich extrem, dass die wunderbare Lilian Klebow gleich mal Testimonial sein wollte! Ich durfte in den ersten Monaten des Jahres das Team hinter WIDADO bei der Entwicklung der kommunikativen Maßnahmen begleiten.

Fixstarter für THINK kallerful ist natürlich die Gusto Guerilla. Die kulinarischen Radtouren (und ja, Stefan, ich werds immer so nennen, hehe) erfreuen sich riesiger Beliebtheit, wir waren auch dieses Jahr fast jedes Mal ausverkauft – und es gelang, den Gastrokritiker Florian Holzer dazu zu bringen, eine Tour zu kuratieren. Was soll ich sagen: Es war meine absolute Lieblingstour, soooooo gutes Essen, so nette WirtInnen! Auf www.gustoguerilla.at kann man übrigens fürs nächste Jahr Gutscheine kaufen!

Und dann war da noch das Lesehotel. Hach, das Lesehotel. Als ich es zum ersten Mal zufällig im Posting einer Bekannten auf Facebook sah, war ich schockverliebt in das Konzept: Ein Hotel mit 20 Zimmern und dem wohl schönsten Ausblick des Salzkammerguts, das von 20 Verlagen ausgestattet wird. Im ganzen Haus fliegen inzwischen locker 15.000 Bücher herum, das SB-Weinregal ist ein Wahnsinn und überall sind Rückzugsecken. Hinter dem Hotel geht direkt der Wanderweg durch den Wald los, und die Betten sind so unfassbar gemütlich, dass man eh nicht aufstehen mag. Praktischerweise wird das Frühstück auch ans Bett serviert Ich fuhr gemeinsam mit der von mir extrem geschätzten Autorin Gertraud Klemm hin, und es stellte sich heraus: Das Team dort ist klein und kann Unterstützung in Sachen Kommunikation brauchen. Gesagt, getan! Ich freu mich sehr, dass es gelungen ist, den Autor Manfred Rebhandl einzuladen, der daraufhin genau am Buch-Wien-Wochenende den Aufmacherartikel im Standard-Album dazu schrieb.

Apropos Schreiben – das hab ich im vergangenen Jahr auch sehr viel gemacht. Im Wiener, in der Wienerin, fürs Programmheft des Filmfestivals This Human World, in der Presse und ganz besonders freue ich mich über meine Artikel im Profil: Zuerst schrieb ich eine große Nummer über Greenwashing (und meine Unterhosen), dann wurde es persönlich. Der Bruder meiner afghanischen Freundin war in Kabul Bodyguard des Präsidenten Ashraf Ghani. Ist ein Scheißjob, wenn die Taliban übernehmen. Die schlugen ihm auch gleich mal das Gesicht zu Brei, woraufhin er zu Fuß (!) nach Wien zu seiner Schwester flüchtete. Hier angekommen ging aber die echte Odyssee erst los: Es ist unfassbar, wie menschenfeindlich die heimische Asylbürokratie ist. In dem Artikel hab ich seine Geschichte erzählt. Bezeichnend: Franziska Tschinderle aus der Redaktion überprüfte alle meine Angaben haarklein, ich konnte natürlich alles mit Quellen belegen. Und auf Rückfrage erklärte das Innenministerium trotzdem:  "Es werden hier gleich mehrere Behauptungen aufgestellt, die in dieser Form nicht der behördlichen Vorgehensweise entsprechen, und es gibt derzeit auch keine schlüssigen Indizien dafür, dass der Sachverhalt in dieser Form so stattgefunden hat." Tja, hat er aber und die Asylkoordination bestätigte dann sogar: Ist bei weitem kein Einzelfall: "Dass das so passieren könnte, steht außer Frage. Das Chaos ist gewollt. Und in den letzten Monaten wurde es schlimmer. Das Innenministerium und ich werden in diesem Fall wohl keine Freunde mehr. Aber Hauptsache, Amir (Name geändert) geht’s gut, das ist mein Fokus.  

Ich freue mich wirklich sehr, dass mir zugehört wird, wenn ich auf spannende Geschichten draufkomme.

Neben der Wienerinnenkolumne konnte ich dieses Jahr auch noch zwei weitere Punkte von meiner Bucketlist streichen:

Ich durfte einen TED-Talk halten. TEDx Haslach lud mich ein. Zunächst dachte ich, ja klar, ich krieg das loooocker in 15 Minuten hin. Beim ersten Testdurchlauf brauchte ich dann 31 Minuten Hin und wieder zahlt Üben und sich Vorbereiten halt doch aus – sobald das Video online ist, teil ichs natürlich mit euch!

Ich war im Rabenhof, neben der Kulisse meine Lieblingsbühne in Wien, auf derselbigen. Während in den letzten Jahren (vor der Pandemie) das Feiern nach Veranstaltungen anderer hinter der Bühne immer die besten Partys schlechthin waren, war ich diesmal selbst auf der Bühne – nachdem ich mich im Frühling komplett in das Buch „Ganz schön wütend“ von Stefanie Reinsperger verliebt hatte, durfte ich ihre Lesung im Herbst moderieren. Es war eine Challenge – im Buch beschreibt sie sich selbst als die große, blonde Frau mit Dutt. Groß und blond bin ich auch, aber die Haare waren im Sommer gerade frisch geschnitten. Ich legte es trotzdem drauf an (inklusive Koffeinshampoo, hahhahah), und es ging sich aus: Ich saß mit Dutt auf der Bühne!

Darüber hinaus passierte noch so wahnsinnig viel, dass ich es fast nicht zusammengefasst kriege – ich erabeitete mit einem Softwareunternehmen Nachhaltigkeitsmaßnahmen, machte für die wunderbare Kosmetikmarke eternel einen kleinen PR-Schwerpunkt, unterrichtete ein Mobilitätsstartup in Sachen PR-Kommunikation, schrieb Texte für Websites von Anbietern nachhaltiger Alltagslösungen, arbeitete mit Verlagen an verschiedenen Ideen (das eigene Buch hab ich aber verschoben), hielt Vorträge an Schulen, Unis und bei spannenden Veranstaltungen und und und und und. Im Februar konnte ich mein eigenes Büro beziehen, das ich mir mit zwei ganz wunderbaren Frauen teilen darf, und das Beste an diesem Jahr war ohnehin mein kleiner Otto, der seit März bei mir wohnt. Otto ist übrigens mein bester Mitarbeiter: Nicht wenige meiner Kunden bestanden darauf, dass Termine mit mir ausschließlich nur in seiner Anwesenheit stattfinden dürfen.