Heute mal ein anderes Thema, das nicht alle LeserInnen hier betrifft, das aber sehr grundlegend für mich ist: Body Positivity. Als ich die Bewegung entdeckte, war ich endlos begeistert und lernte, mich endlich auch in meinem Körper wohlzufühlen. Aber zeitgleich mit meiner öffentlichen Positionierung dazu, bekam ich meine Portion an Kritik ab. Ich sei nicht fett genug, um mich darüber zu äußern, ich sei "straight size passing" (heißt, ich pass in 44 und somit bin ich eh normal), ich würde mich zur "Speerspitze" von Body Positivity machen, ein Anspruch, den ich niiiiiiemals gestellt habe (sorry, aber würden alle, die sich zu einem Thema äußern, die Themenhoheit dazu einfordern, hätten wir statt Fakten nur noch Meinungen. Oh... wait...). Ich würde mich an der Bewegung bereichern durch den Verkauf meines Buchs "Fuck Beauty" - Kritik, die nur von Menschen geäußert wurden, die keine Ahnung davon, wie viel bzw. wie wenig AutorInnen manchmal verdienen :) .
Ich wurde beshitstormt, weil ich - und bei dieser Meinung bleib ich übrigens weiterhin - in meinem Buch festgestellt habe, dass es einen Zusammenhang zwischen Gewicht und Gesundheit gibt, aber dass "ungesundes Gewicht" seeeeehr viel weiter oben anfängt als uns medial vermittelt wird. Dennoch, und das bestätigt die medizinische Forschung: So, wie es gewichtstechnisch nach unten hin eine Grenze gibt, ab der das Gewicht massiven Einfluss auf den Gesundheitszustand hat, gibt es diese Grenze auch nach oben hin. Ich rede hier von Adipositas Permagna, einer Krankheit, und nicht von "runderen Formen", wie es so oft umschrieben wird. Und besonders wichtig: Selbst diese gesundheitliche Tatsache ist völlig unabhängig davon, dass jeder Mensch das Recht hat, sich schön zu empfinden, sich zu mögen, sich zu akzeptieren, und dass jeglicher Gegenwind auf diesem Weg zu mehr Selbstakzeptanz zu verurteilen ist.
Gerade in der Bopo-Bewegung fiel mir auf, wie extrem exkludierend einige agieren, die zeitgleich Inklusion fordern. Frauen, die sich selbst außerhalb der "Mehrheitsgesellschaft" positionieren, diese kritisieren, erklären, ihr Fett sei ihre Identitätsgrundlage, anderen erklären, dass man den Anblick von Dicksein und jegliche Körperformen normalisieren muss, und die gleichzeitig erklären, dass dünne Frauen nicht bodypositive sein dürfen, ihren Körper nicht lieben dürfen. Sie sprachen also anderen ab, ihren eigenen Weg zu mehr Selbstakzeptanz zu gehen. Und erklärten, dass man es nicht Body Positivity nennen darf, weil es dabei um ein politisches Statement der Fat Acceptance gehe.
Gut, kann ich nehmen. Das hat Berechtigung, und ich hörte mir diese Argumente gern an. Ich bin auch lernfähig. Ich habe sehr oft das Wort "Selbstliebe" als Ersatz verwendet, um niemandem auf die Zehen zu treten. Sicher nervt es, wenn man als sehr dicke Frau mit täglicher Ablehnung konfrontiert ist und dann kommt ein schlankes Mädel daher und wird für ihren Mut bejubelt, weil sie ein Foto ihrer drei Cellulite-Dippel auf Instagram mit dem Hashtag #bodypositivity postet. Kann ich nachvollziehen. Aber was mir nicht klar war: Wenn das Ziel nicht ist, dass jede Person, vööööööööllig egal, wer man ist, wie man aussieht, wieviel man wiegt, nicht nur sich selbst, sondern auch andere in ihrer Gesamtheit akzeptiert und somit mehr Verständnis und Respekt in der Gesellschaft entsteht, was ist es dann?
Manchmal kamen daraufhin Argumente, da setzte es aus bei mir. Weil ich das Gefühl hatte, es ging nur noch um Meinungshoheit und "better than". Aber weil ich weiß, dass ich wie das Amen im Gebet sofort hör, dass ich nicht dick genug sei für so eine Meinung, dass ich ja privilegiert sei, sag ich dazu seit Ewigkeiten nichts mehr. Anna O´Brien ist eine Influencerin, die seit Jahren Videos zu Plus Size Mode macht. Nun hat sie geoutet, dass sie ihrer Diagnose Lipödem und den damit verbundenen Schmerzen etwas entgegensetzen will, und mehr Sport macht, sich besser ernährt, und abnimmt. Der Gegenwind aus der "Community" war enorm. Sie hat sich nun dazu geäußert und ich kann ihr nur zustimmen. Schaut euch das Video an, sie erwähnt wirklich jedes Argument, das auch mir durch den Kopf gegangen ist in den letzten Monaten. Und ich finds gleichzeitig fantastisch, dass sie bei ihrer Position bleibt, und andererseits wirklich tragisch, dass sie dafür so viel Mut braucht.
Ich stehe zu jedem Wort, das ich in Fuck Beauty geschrieben habe, und ich bin weiterhin überzeugt, dass wir individuell und gesellschaftlich einfach viel mehr Verständnis und Akzeptanz brauchen könnten. Aber die Body Positivity Community ist nicht mehr zwingend eine, die dieses Ziel vertritt.